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Motorradtouren & Reiseberichte

 

 

 
 

Bines erste Gruppenfahrt

 

Es war Sonntag, der 19. Juli 1998. Aus irgendeinem kühnen Grund fuhren wir dieses Wochenende nicht an die Ostsee und so beschlossen wir, endlich einmal an einer Gruppentour meiner ehemaligen Fahrschule teilzunehmen. Es sollte laut Terminplan in Richtung Ostsee zum Wasserskilaufen gehen. Wir wussten nicht, was auf uns zukommen würde, als wir um 9.00 Uhr morgens pünktlich vor der Fahrschule erschienen. Ich war mächtig gespannt und aufgeregt. Axel hatte mir vorher sehr viel übers Fahren in der Gruppe beigebracht, auf dem Papier jedenfalls, und nun hieß es, das Erlernte in die Tat umzusetzen.

Mein Herz schlug schneller, als ich die anderen Teilnehmer mit ihren Maschinen sah. Es waren allesamt Rennziegen, die eine zickiger als die andere. Doch die Leute schienen recht nett zu sein, und mir fiel ein Stein vom Herzen, als ich Birte sah. Sie war die einzige, die ich von der Fahrschule her kannte. Zu diesem Zeitpunkt ahnte ich allerdings noch nicht, auf was ich mich da eingelassen hatte.

Nun gut. Nachdem Axel noch geklärt hatte, dass auch in dieser Gruppe versetzt gefahren wird, machten wir uns auf den Weg. Ich sollte als Nächste hinter dem Leader fahren, damit ich nicht ständig hinterher hecheln müsste, weil ich die lahmste Maschine hatte. Ich war total aufgeregt. Es war eine völlig neue Situation, da Axel sonst immer vor mir fuhr. Doch diesmal befand er sich hinter mir. Aber es nützte nichts. Nun musste ich da durch.

Es ging wider Erwarten ganz gut. Wir fuhren in Richtung Bargteheide (ich weiß tatsächlich nicht mehr, wie), und von dort nach Oldesloe auf die Autobahn. Bis dahin hatte ich mich schon relativ entspannt. Wir gaben eine schöne Gruppe ab. Ca. 10 Maschinen und alle schön versetzt. Ein tolles Bild. Doch was dann auf der Autobahn abging, ließ mich vom Glauben abfallen. Wir hatten gerade eben die Beschleunigungsspur verlassen, da gab der Leader auch schon Gas. Ich natürlich auch, doch ich brauch´ wohl nicht erwähnen, wie alt ich mit 34 PS im Gegensatz zu 150 aussehe. Verzweifelt versuchte ich, alles aus meiner Maschine rauszuholen. Völlig verkrampft bei Tempo 150 suchte ich in der Ferne nach irgendeinem Anzeichen eines Gruppenführers. Doch vergeblich. Und dann ging es erst richtig los. Mit hochfrequentem Heulen bei 12000 Umdrehungen überholten mich rechts und links irgendwelche Wahnsinnigen. Ich konnte nicht erkennen, ob diese Gestörten zu unserer Gruppe gehörten oder nicht. Dafür war ich mit ihren Maschinen nicht vertraut. Doch ein Blick in den Rückspiegel bestätigte meinen Verdacht. Der einzige, der noch brav und artig hinter mir fuhr, war Axel. Ich suchte hilferingend seinen Blick. Doch bei Tempo 155 war das unmöglich. Gerade, als ich einen LKW überholte, sah ich aus den Augenwinkeln heraus, dass ein Motorradfahrer bei der kommenden Ausfahrt die Autobahn verließ. Das musste einer von uns sein, denn kein anderer hatte mich bis dahin überholt. Ich zog vor dem LKW nach rechts und musste ziemlich stark abbremsen, um nicht aus der Kurve zu fliegen. Gleich an der Ausfahrt auf dem Seitenstreifen standen sie dann alle, und einige hatten zum Teil schon fast eine Zigarette geraucht. Sie unterhielten sich angeregt und schienen gut drauf zu sein. Keiner ahnte, was in mir vorging. Ich wäre am liebsten umgedreht und heimgefahren. Die einzige, die etwas zu spüren schien, war Birte. Sie redete mir gut zu und meinte, ich solle mir nichts daraus machen. Das würde immer so sein, aber auf jeden Fall würde man am nächsten Treffpunkt auf mich warten. Tolle Aussicht. Ich war also ein Hindernis für alle. Aber, dass selbst Axel den Kopf schüttelte war mehr Trost für mich als alles andere.

Dann fuhren wir weiter in Richtung Ratzeburg. Und dieses Mal dauerte es nur etwa einen Kilometer, bis sich das Spiel wiederholte. Obwohl ich es ja schon ahnte, hätte ich trotzdem heulen können. Lediglich ein Fahrer, er hieß Bernd und hatte seinen kleinen Sohn dabei, hielt etwas länger aus. Wir fuhren vielleicht noch 10 Kilometer zusammen, bevor auch er dann ausflippte. Nun waren Axel und ich alleine. Das altvertraute Bild. Und ich dachte: Wozu dieser ganze Stress? Ich war 100%ig sicher, diesem Horror in Ratzeburg ein Ende zu bereiten und nach Hause zu fahren. Notfalls auch ohne Axel, wenn er unbedingt weiter wollte.

Dann erreichten wir den See. Und es spielte sich die gleiche Szene ab wie an der Autobahn. Wir kamen dort an, und die ersten hatten schon ein Eis verdrückt. Ich parkte meine Freewind, setzte mich auf einen Poller und legte meinen Kopf in meine Hände. Meine Demotivation hatte ihren Höhepunkt erreicht. Es langte und ich wollte heim. Doch irgendwie, dank Diplomatie und Überredungskunst, schaffte es Axel, dass er plötzlich die Führung übernehmen sollte. Die Insel Poel war im Gespräch und Axel kannte den Weg. Das war natürlich etwas anderes. Axel als Leader war mir vertraut, und nach uns die Sintflut. Ich war plötzlich wieder gut drauf. Los Zorro, zeig´s ihnen.

Wir fuhren durch Ratzeburg durch, um dann irgendwo dahinter links abzubiegen. Zuerst war die Straße auch noch für Rennziegen geeignet, aber dann kam´s! Ha, endlich durchflutete mich mein erster Orgasmus. Die Straße wurde holprig und die Rennzicken langsamer. Ich spürte den Schmerz in ihren Hintern, wenn sie über Huckel und Bodenwellen knallten und genoss es. Axel und ich zogen mit unseren Enduros die Straße entlang, als wenn wir Samt unter unseren Rädern hatten. Wo waren sie denn plötzlich alle? Die sich entfernenden Scheinwerfer in meinem Rückspiegel schenkten mir ein leichtes Grinsen. Jetzt waren wir die Könige. Und dieses Bewusstsein ließ mich fahren wie ein junger Gott. Leider hielt dieses Gefühl nicht lange genug an. Irgendwo auf dieser Straße kamen wir in eine Rollsplittetappe. Was soll ich sagen...Ich hab zwar in der Fahrschule gelernt, wie man sich auf Rollsplitt verhalten soll, aber Theorie und Praxis sind halt zwei Welten. Viel zu schnell fuhr ich in eine Kurve ein und dieser hinterhältige Placken dort lehrte mich Tacheles. Bei Tempo 80 rutschte mir mein Hinterrad weg und ich begann zu beten. Innerhalb von einer Sekunde ging mir mein Leben durch den Kopf. Ich ärgerte mich über meine Tollkühnheit und nahm mir vor, vorsichtiger zu fahren, falls ich noch einmal wiedergeboren werde. Doch mein Schutzengel stand mir bei. Dieses Mal jedenfalls hatte ich noch einmal Glück gehabt. Ich konnte die Maschine abfangen und mit Pulsschlag 130 die Fahrt fortsetzen. Dann erreichten wir die Hauptverkehrsstraße nach Wismar. Leider war sie breit und glatt und das gleiche Mensch-ärgere-Dich-nicht-Spiel begann. Alle zogen an mir vorbei, und ich glaube, wenn ich Krampen bei mir gehabt hätte, dann hätte ich es ihnen beim Überholen vor die Räder geschmissen. Einfach so, just for fun.

Ich erwischte mich bei meinen Negativgedanken und schrie mich innerlich an: Los, reiß Dich zusammen, Du Memme.

Beleidigt schmollte ich und setzte die Fahrt als kriechende Schnecke fort. Die anderen waren schon nicht mehr zu sehen, und ich hatte dringend das Bedürfnis, auf meinen "Trecker" einzuschlagen. Nur Axel fuhr noch diszipliniert und souverän vor mir. Das wiederum war mir Ansporn genug. Wenigstens er hatte sich unter Kontrolle und genoss die Fahrt und die Natur. Ich bewunderte ihn, obwohl ich hätte schwören können, dass es auch ihn juckte, den Gashahn voll aufzureißen. Aber er tat es nicht.

Bei der nächst möglichen Abzweigung warteten dann alle wieder auf uns, und Axel übernahm erneut die Führung. Keiner schien mit mir irgendein Problem zu haben. Ich dafür mit denen um so mehr. Ich wollte einfach nicht der Verlierer sein, maulte und beschloss, mich dieses Mal nicht abhängen zu lassen. Welch Utopie!

Wir fuhren immer noch in Richtung Wismar, als wir durch ein Waldstück mussten. Dass die anderen wahrscheinlich bereits in der Ostsee badeten, muss ich wohl nicht mehr erwähnen. Axel vor mir überholte einen PKW und ich wollte hinterher. Tempo 140 war angesagt und damit auch so ziemlich meine Grenze. Blinker links, kurzer Blick in den Rückspiegel und los. Was für eine Scheißbeschleunigung. Ich brauchte fast 500 Meter, um auf gleicher Höhe mit dem Wagen zu sein. Und dann kam diese Wahnsinns-Schrankwand auf mich zu. Ein Mutant von Wohnmobil wagte es, sich mir in den Weg zu stellen. Ich weiß nicht wie, aber irgendwie habe ich es geschafft, mich noch dazwischen durchzudrängeln. Ich kam mir vor wie ein Kamikaze-Pilot. Axel hatte sich rechtzeitig in Sicherheit bringen können und beobachtete mein buntes Treiben im Rückspiegel. Ich wusste genau, dass ich mir nachher was von ihm anhören musste.

Nächster Abzweiger, nächstes Treffen. Wir fuhren durch Wismar durch, und zum Glück ergab sich nicht die Gelegenheit für die anderen, uns zu überholen. Dann, nach einem kurzen Tankstop erreichten wir Poel. Nette Insel, und wir kehrten irgendwo am Hafen in ein kleines Restaurant ein. Leider war die Kapazität für 12 Motorradfahrer nicht ausreichend, und so mussten wir fast anderthalb Stunden auf unser Mittag warten.

Dann ging´s aber endlich Richtung Heimat und Axel führte uns wieder an. Er fuhr mit uns durch Wismar und wollte uns den alten Marktplatz zeigen. Dass er ihn nicht fand, machte nichts. Dafür bescherte er uns herrliche Kopfsteinpflasterpassagen und huckelige Bahnübergänge. Mein zweiter Orgasmus nahte, als ich die anderen ihre Maschinen fast schieben sah, während wir im Stehen die für uns unmerklichen Hindernisse passierten.

Nachdem wir Wismar verlassen hatten, fuhren wir an der Ostseeküste entlang. Unser Ziel war der Priwall, um von dort nach Travemünde überzusetzen. Und dann geschah das Unfassbare. Auf der Landstraße, auf der wir geraden fuhren herrschte dichter Verkehr. Und plötzlich schmiss der Beifahrer des vor Axel fahrenden Pkws etwas aus dem Fenster. Was zuerst undefinierbar erschien, erwies sich später als das Magnetband einer Musikkassette. Es flatterte im Wind und wickelte sich um Hals, Körper und Vordergabel. Axel erschrak und ging voll in die Eisen. Ich raffte zuerst gar nichts und wäre ihm fast hinten reingerammelt. Dann, nachdem wir uns vom Schrecken erholt hatten, hielten wir auf einem Parkplatz an, um uns von dem lästigen Zeug zu befreien.

Die anderen schienen weniger geschockt und nutzen die Pause, um eine Zigarette zu rauchen. Nach einer halben Stunde ging´s weiter in Richtung Priwall. Über kleine Dörfer und abseits der Hauptverkehrsstraße führte uns Axel nahe an der Ostseeküste entlang. Doch irgendwie fanden wir, dank schlechter Ausschilderung, die gesuchte Strecke nicht. Erst, als Axel einen Eingeborenen fragte, und der uns den Weg über Pontius und Pilatus erklärte, waren wir erfolgreich. Die Straße dorthin war mehr als miserabel. Ich glaubte, meine Freewind juchzen zu hören, als sich Schotter, Schlaglöcher und Bitumenstreifen abwechselten. Ein Blick in den Rückspiegel zauberte ein erneutes Grinsen in mein Gesicht. Ja, wo waren sie denn? Keiner der Gestörten konnte mithalten. Das ging bestimmt eine Viertelstunde so. Irgendwann schien Axel Mitleid mit ihnen zu haben und hielt an. Jetzt waren sie es, die schwitzten. Unlust war in ihren Gesichtern zu sehen. Aber ich muss zugeben, dass auch ich völlig fertig war. Ich sehnte mich nach meinem Bett. Bernd, eigentlich ein Netter, redete mir gut zu. Er meinte, dass ich nur so an meine Grenzen stoßen würde, indem ich an solchen Horrortouren teilnehme. Er hätte schließlich auch einmal so angefangen. Ein wenig baute es mich schon auf. Und auch Axel nickte. Das bedeutete mir mehr, als alles andere. Dann erreichten wir die Fähre. Wir waren zu diesem Zeitpunkt noch acht Maschinen, und der Herr Zahlmeister meinte, es wäre billiger, wenn wir als Gruppe bezahlten. Nun, da Axel der Erster der Gruppe war, löhnte er auch den Beitrag. Was wir zu diesem Zeitpunkt nicht wussten, war dies, dass sich klammheimlich noch zwei weitere fremde Motorradfahrer unserer Gruppe angeschlossen hatten. Jedenfalls machten die sich nach dem Bezahlen aus dem Staub und wir hatten die Kosten. So mussten wir jeder runde 3,50 DM bezahlen. Hätten wir jeder für sich bezahlt, wären das nur 3,00 DM gewesen. Na, was sollt´s. Auf jeden Fall waren wir jetzt in Travemünde. "Deutschland" hatte uns wieder. Wir beschlossen alle, hier noch ein wenig zu promenieren und ein Eis zu essen. Es lief gerade die Finnjet ein, als wir auf dem Rasen seitlich der Promenade saßen und unsere Leckerei verdrückten. Ich lag mit dem Kopf auf Axels Bauch und wäre vor Erschöpfung fast eingeschlafen. Eigentlich waren diese Typen gar nicht so schlimm. Wahrscheinlich würde ich genauso fahren, wenn ich bereits länger meinen Führerschein hätte, und vor allem eine schnellere Maschine. Ich fing an einsichtiger zu werden und Verständnis für die anderen aufzubringen. Es sollte jedoch nicht lange vorhalten.

Den Rückweg setzten wir so gegen 17.30 Uhr fort. Die Strecke war mir bekannt. Sie führte uns praktisch die gesamte B 432 entlang, durch Travemünde, Scharbeutz, Pönitz, Ahrenbök, Segeberg u.s.w..

Es herrschte ziemlich dichter Wochenend-Verkehr, und die Strecke von Ahrensbök nach Segeberg glich einer gigantischen Perlenschnur. Auto an Auto schob sich vorwärts. Und dieses Mal waren nicht nur meine Gruppenkumpel genervt, sondern ich auch. Sie begannen mit dem Kolonnenspringen. Zuerst konnte ich noch mithalten, da der Verkehr viel zu dicht war, um längere Abschnitte zu überholen. Es ging Motorrad um Motorrad, schön einer nach dem anderen. Aber irgendwann rastete mal wieder der Vorderste aus und gab Gas. Einen Leader hatten wir nicht mehr. Zu diesem Zeitpunkt war jeder mal vorne, der Bock und die entsprechende PS-Leistung hatte. Ich war immer noch Zweite, und mein Vormann setzte also zum Überholen an. Er zog ab und ließ 7,8 oder neun Autos hinter sich. Ich sah den entgegen kommenden Verkehr und überlegte: "Schaff´ ich es auch oder lass ich es bleiben?" Doch meine Entscheidung wurde mir abgenommen. Die anderen unserer Gruppe befanden sich bereits beim Überholvorgang, und zogen mit heulenden Motoren an mir vorbei. Axel war (wie immer) noch brav hinter mir. Dann, in Segeberg, trafen wir uns alle wieder an der Ampel bei Möbel Kraft. Durch Handzeichen und Zurufe verständigten man sich, und wir erkannten daran, dass sich einige in absehbarer Zeit verabschieden wollten. Die Gruppe löste sich langsam auf. In Leetzen waren nur noch Axel, ich und Bernd zusammen. Ab hier begann es, mir Spaß zu machen. Wir blieben schön versetzt als Gruppe zusammen. Und unser Zusammenspiel klappte ausgezeichnet. In Norderstedt angekommen verabschiedeten wir uns vor unserer Hauseinfahrt von Bernd durch Hupen und Winken. Und auch er hob noch einmal die Hand. Er war mir von allen am liebsten gewesen. Sehr sympathisch, verständnisvoll und einfach nett. Zu Hause angekommen, redete ich mit Axel noch einmal über alles. Er hat ein sonderbares Talent, in jeder Sache immer nur das Gute zu sehen. Und so hat er auch diesmal mich wieder vom Positiven überzeugt. "Du lernst nur, wenn Du an Deine Grenzen stößt." Ich nickte. Ja, Axel hatte recht, so wie Axels nun mal sind.

ENDE  

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